Verschieden und verbunden
- Katja Ngassa Djomo

- 1. Mai
- 2 Min. Lesezeit
In der Beratung begegne ich Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. Ihre Geschichten sind geprägt von individuellen Erfahrungen, kulturellen Hintergründen, familiären Prägungen und persönlichen Werten. Jeder Mensch bringt eine eigene Sichtweise mit: persönliche Muster, Fragen, Wünsche und Herausforderungen. Diese Vielfalt ist kein Hindernis, sondern die Grundlage einer lebendigen und tiefgehenden Beratungsarbeit.
Trotz aller Unterschiedlichkeit zeigt sich, dass viele Anliegen auf ähnliche Themenkreise verweisen. Immer wieder geht es um das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, um Selbstwert und Sinn, um das Ringen mit Nähe und Distanz, um Beziehungsgestaltung oder um innere Spannungen. Es sind zutiefst menschliche Erfahrungen, die uns verbinden – auch wenn sie sich im Einzelfall ganz unterschiedlich zeigen.
Grundbedürfnisse als gemeinsame Grundlage
In der psychologischen Forschung, zum Beispiel in der Konsistenztheorie von Klaus Grawe, werden vier Grundbedürfnisse beschrieben: das Bedürfnis nach Bindung, nach Orientierung und Kontrolle, nach Selbstwerterleben sowie nach Freude und innerer Entlastung. Diese Bedürfnisse sind uns allen gemeinsam, auch wenn ihr Ausdruck individuell sehr verschieden sein kann.
Wenn eines oder mehrere dieser Bedürfnisse über längere Zeit unbefriedigt bleiben, entstehen häufig innere Spannungen. Diese können sich unter anderem in Erschöpfung, Ängsten, Beziehungskonflikten oder einem Gefühl von Stillstand äußern. In der Beratung geht es dann darum, diese Bedürfnisse wieder bewusst wahrzunehmen und stimmige Wege im Umgang mit ihnen zu entwickeln.
Unterschiedlichkeit als Ressource
Systemisches Arbeiten bedeutet, individuelle Perspektiven nicht nur anzuerkennen, sondern als wertvolle Ressource zu begreifen. Jeder Mensch konstruiert seine Wirklichkeit aus Erfahrungen, Beziehungen, kulturellen Einflüssen und inneren Haltungen. In der Beratung werden diese Perspektiven ernst genommen, nicht bewertet oder korrigiert, sondern gemeinsam reflektiert.
Beratung ist kein Ort für schnelle Antworten, sondern ein Raum für bewusstes Innehalten. Hier können Muster sichtbar werden, die oft über Jahre hinweg gewirkt haben. Und hier können sich neue Sichtweisen und Handlungsoptionen entwickeln.
Verbindung durch Resonanz
Was Menschen im Beratungskontext miteinander verbindet, ist nicht die äußere Ähnlichkeit, sondern das Erkennen gemeinsamer menschlicher Themen. Auch wenn Lebenswege, Ausdrucksformen oder kulturelle Hintergründe unterschiedlich sind, erleben viele Menschen ähnliche Grundspannungen. Das Gefühl, mit dem eigenen Erleben nicht allein zu sein, kann entlastend und stärkend wirken.
Ich verstehe meine Rolle als Beraterin nicht darin, fertige Lösungen anzubieten. Vielmehr sehe ich mich als Impulsgeberin, als aufmerksame Gesprächspartnerin auf Augenhöhe. Die Beziehung zwischen Klient:in und Beraterin ist dabei ein wesentlicher Teil des Prozesses – geprägt von Vertrauen, Respekt und einer echten Haltung der Zugewandtheit.
Fazit: Gemeinsam menschlich
In der Vielfalt der Menschen, die in die Beratung kommen, liegt etwas Verbindendes: der Wunsch nach Entwicklung, nach innerer Klarheit, nach gelingenden Beziehungen. Darin entfaltet sich das Potenzial der Beratung. Nicht trotz der Unterschiedlichkeit, sondern gerade durch sie entsteht ein Raum für Veränderung und neue Möglichkeiten.
Foto von Michi-Nordlicht





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